Jubiläumsgedanken

von Frau Kurz, mit Vorwort von Ursula Ochs

Liebe Freundinnen und Freunde von Direkthilfe Nepal e.V.,

unser zehnjähriges Vereinsjubiläum möchte ich zum Anlass nehmen, um mich herzlich bei Ihnen für Ihr Vertrauen in unsere Arbeit und Ihre treue Unterstützung der Kinder in Nepal zu bedanken.

Mir geht es wie Frau Kurz, die untenstehend über ihre Arbeit als Englischlehrerin an der Janata English School in Amppipal berichtet: Ich bin fasziniert von den liebenswerten, freundlichen Menschen und dem wunderschönen Land, aber auch schockiert von der großen Armut, die für mich besonders nach dem verheerenden Erdbeben im Jahr 2015 wieder deutlich sichtbar wurde.

Aus meinen abenteuerlichen Trekkingtouren im Himalaya hat sich ein sinnvolles Hilfsprojekt entwickelt, das sichtbar Früchte trägt.

Mit Ihnen gemeinsam möchte ich auch in Zukunft mit großer Freude und Engagement die Lebensumstände bedürftiger Kinder und ihrer Familien und die Bildung auf dem Lande verbessern.

Ich bedanke mich auch bei Frau Kurz für ihre tolle Arbeit an der Janata English School!

Ihre Ursula Ochs

(Erste Vorsitzende)

Jubiläumsgedanken

Es war im März 2017, als ich den Anruf vom SES (Senior Experten Service, Bonn) erhielt, ob ich mir vorstellen könne, in einer Dorfschule in Nepal den dortigen Lehrern Englischunterricht zu geben, da diese keine sonstige Möglichkeit zu einer Fortbildung hätten. Eine Unterbringung im nahe gelegenen Gästehaus des Krankenhauses vor Ort sei möglich und entspräche westlichen Standards (was besonders im Hinblick auf die Sanitäreinrichtungen wichtig war), der Weg zur Schule ginge 30 Minuten steil bergauf.

Einem Abenteuer nie abgeneigt und schon immer vom Wunsch beseelt, gerade dieses Land einmal zu besuchen, zögerte ich nicht lange und traf dann Anfang September in dieser völlig fremden Welt ein, nicht ohne vorher bei Familie Ochs in Frankfurt vorbeigeschaut und neben einem ersten (ausgezeichneten) Dal Bhat auch wertvolle Informationen erhalten zu haben. Denn der SES vermittelt nur Freiwillige und organisiert deren Anreise, die Auftraggeber vor Ort – in diesem Fall unterstützt durch die Direkthilfe Nepal – stellen den Antrag und sorgen für Unterkunft und Verpflegung.

Die Schule war vom Erdbeben 2015 schwer gezeichnet; etliche Gebäude zeigten Risse, einige waren nicht mehr zu nutzen, weshalb man auf der Terrasse unterhalb der Schule eine Reihe provisorischer Wellblechbaracken errichtet hatte, in denen vier der sieben Schulklassen unterrichtet wurden. Was das in der Monsunhitze bedeutete, erfuhr ich bald darauf am eigenen Leib! Denn natürlich gab ich nicht nur den Lehrern, die von Anfang an sehr willig und interessiert waren, Hilfestellung, sondern bemühte mich um die Klassen, die gerade nicht von einem der Lehrer betreut werden konnten.

Seit diesen ersten Eindrücken hat sich viel getan - wie mag es erst 2010 ausgesehen haben, als die Direkthilfe Nepal die Janata English School unter ihre Fittiche nahm! Mittlerweile sind die erdbebengeschädigten Gebäude ersetzt oder wieder aufgebaut worden, finanziert von Direkthilfe, - unter geringfügiger Kostenbeteiligung der JES - geplant und kontrolliert durch einen deutschen Architekten. Die Wellblechbaracken sind verschwunden, sodass Schüler und Lehrer die Terrasse wieder für Sportwettkämpfe und Pausenaktivitäten nutzen können.

Der Direktor, Herr Hira Kaji Thapa (übrigens haben nur er und ein weiterer Lehrer eine abgeschlossene Hochschulausbildung), hat eine Montessori -Vorschulklasse eingerichtet und durchläuft selbst gerade in Etappen eine Montessori-Zusatzausbildung, die außer ihm bisher nur eine der Grundschullehrerinnen absolviert hat. So hofft man, sich vom reinen Frontal- und Nachsprech-Unterricht hin zu einer moderneren Pädagogik zu bewegen. Neben der mangelhaften Ausbildung der Lehrer ist ein weiteres Problem, dass es vor allem die männlichen Kollegen überwiegend in die Ferne zieht – trotz Gehaltsaufrundung durch die Direkthilfe (die sogar zwei der Lehrergehälter ganz zahlt) reicht der Verdienst meist nicht für den Unterhalt einer ganzen Familie. Deshalb ist die Investition besonders in die weiblichen Lehrkräfte sicher empfehlenswert, haben die doch in der Mehrzahl größere familiäre Bindungen vor Ort und fallen höchstens einmal in Zeiten der Schwangerschaft aus. Die Ausübung eines Berufs mag außerdem ihre Stellung als Frau stärken, denn die ist im gesellschaftlichen Bewusstsein noch sehr von Unterdrückung und Ungleichheit geprägt. Zu meiner Freude hat sich einer der Englischlehrer in einer kleinen Theateraufführung kritisch des Themas Kinderehen angenommen – es bewegt sich sehr, sehr langsam vielleicht doch etwas. Vorsichtige Einflussnahme von außen (durch Gespräche, der Förderung von Mädchen durch die Übernahme von Patenschaften etc.) kann hilfreich sein, wenn sie nicht als übergriffig empfunden wird. Nepalesen sind stolz auf ihr Land, ihre Kultur, ihre Geschichte und möchten ihre Zukunft selbst entscheiden. Wenn man sie dabei unterstützt, ist das sehr willkommen.

Es war für mich sehr aufschlussreich, zu verschiedenen Jahreszeiten vor Ort gewesen zu sein, denn dem ersten Besuch folgten im Mai 2018 und Februar 2019 schnell weitere. Wie lange hält man es spärlich bekleidet in einem neuen, aber weiterhin ungeheizten Gebäude bei wenigen Celsius-Graden sitzend aus? Ziehe ich beim Sportfest lieber die abgetretenen Schuhe aus und renne auf durchlöcherten Strümpfen die Buckelpiste lang beim „egg and spoon race“? Reicht der Reisvorrat der Familie für ein kleines Frühstück? Wenn nicht, teilen die Lehrerinnen oft mit den ärmsten Schülern – oder man muss aufs Mittagessen warten, das viermal in der Woche für alle SchülerInnen aus Mitteln der Direkthilfe finanziert wird.

Durch die Aufenthalte in Amppipal hat sich mein Blickwinkel auf viele Dinge verändert; es ist jetzt nicht mehr nur Theorie, dass die Menschen überall auf der Welt letztlich dieselben Grundbedürfnisse haben und es nur Zufall ist, ob ich in eines der reichsten oder ärmsten Länder der Welt hineingeboren werde. Mein Dank geht deshalb auch ganz persönlich an alle, die darüber nicht nur die Schultern zucken und meinen, sowieso nichts ändern zu können, sondern aktiv die Direkthilfe Nepal und ihre Projekte in diesem Land mit so vielen liebenswerten Menschen unterstützen.

Ich werde versuchen, beim nächsten Aufenthalt in Amppipal meinen Beitrag wieder zu leisten.

Annette Kurz

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